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12 Impulse für euer Hochzeitsjahr

Alle Zeit, die nicht mit dem Herzen wahrgenommen wird, ist verlorene Zeit.

Nr. 1 – Momo

oder die große Kunst sich Zeit zu nehmen

Wenn ich meinem Jahr 2022 eine Überschrift geben müsste, würde da zweifellos CHAOS stehen. Ich kann mich an kein Jahr in meinem Leben erinnern, das soviel Unruhe und Unordnung mit sich gebracht hat, wie das vergangene Jahr.

Die Ordnung selbst hat sich in Frage gestellt, so jedenfalls kam es mir manchmal vor.

Früher – alleinstehend, jung, wohnhaft in einer WG mit meiner besten Freundin, in Ausbildung – habe ich jede Art von Ritual regelrecht verabscheut. Ich hatte kein „Morgen-Ritual“, kein „Abend-Ritual“, kein Irgendwas-Ritual. Ich bin zum Ausbildungsplatz gegangen, das war im Grunde die einzige Regelmäßigkeit.

In Ordnung waren für uns Stunden über Stunden an Zeit, die wir an unserem Küchentisch verbracht haben, einfach so. Mit jeder Menge Zigaretten, Kaffee oder Wein, und offen für jeden Quatsch, der sich da in unseren Köpfen auftat.

Daraus entstanden manchmal hitzige Diskussionen und manchmal ewige Lachflashs, am meisten aber aufrichtige, innige und persönliche Gespräche, weshalb ich von diesen Stunden nicht eine Sekunde missen möchte und nicht eine als verschwendet empfinde.

Heute mit vielen Kindern, vielen Aufgaben, vielen Medien, einfach ständig „viel los“ hat es sich immer mehr verloren, Muße zu tun, die Zeit kommen zu lassen und vergehen zu lassen, dem Aktionismus zu trotzen. Ich habe immer mehr um den Wert des „sich-Zeit-nehmens“ vergessen.

Bis ich jetzt zu Beginn des neuen Jahres das Buch „Momo“ von Michael Ende las.

In dieser Geschichte kämpft das Mädchen Momo gegen die Übermacht der Zeit-Diebe, der sogenannten grauen Männer, die die erwachsenen Menschen mit Vernunft und Logik dazu bringen, ihre Zeit zu „sparen“, und diese stets sinnvoll und effizient zu nutzen. Damit verlieren die Menschen jedoch in Wirklichkeit ihre Lebenszeit und damit die Freunde am Leben.

Die Überbegriffe der letzten Jahre, nach denen wir uns alle gerichtet haben, sind Effizienz und Leistung und nun merken wir immer mehr, dass wir uns trotz der „eingesparten“ Zeit keine wirkliche Zeit mehr nehmen, um mitzufühlen, was ein anderer fühlt. Um Muße zu tun mit den Kindern (und sie nicht zu unterhalten). Wir sitzen nicht still und warten auf die Gedanken, die da kommen werden. All diese sinnlosen, nicht zweck- und zielgerichteten Dinge tun wir nicht mehr (viel). Wir hechten vielmals nur noch hinter dem her, was wir denken, was alles erledigt werden muss, was „man“ halt so macht oder was dem Bild entspricht, dem wir doch so gern entsprechen möchten: Nämlich sinnvoll beschäftigt. Erst dann haben wir einen Wert. Denken wir. Fühlen wir aber ganz anders.

Und deshalb: Danken wir doch alle dem letzten Jahr für die Unordnung. Dafür, dass wir erst durch das Chaos wissen, dass wir selbst entscheiden können. Welche Ordnung passt zu mir? Was passt zu mir? Wofür möchte ich mir Zeit nehmen? Welche Zeit vermisse ich von damals, als ich noch klein war und nichts wusste von irgendeiner Zeit? Kann ich ein bisschen was davon wieder integrieren?

Wie lebt man ein Leben? Wollen wir am Ende da stehen, total außer Atem? Zwar am Ziel, aber vom Weg nichts mitgenommen, nichts gesehen, nichts wahrgenommen? Ich glaube nicht.

Bei der Vorbereitung einer Traurede zum Beispiel 😍, können die Gäste hören und fühlen, wieviel Zeit und Gefühl das Brautpaar und die Rednerin quasi in sich selbst verbracht haben. Ein Traugespräch kann schonmal vier Stunden dauern und in diesen vier Stunden beleuchtet sich das Brautpaar selbst, taucht in sich selbst ein. Die Rednerin währenddessen nimmt sich diese Zeit, um konzentriert zuzuhören und das zu fühlen, was im Hintergrund mitläuft. Taucht selbst mit ein.

Diese „investierte Zeit“ ist in diesem Fall natürlich auch irgendwie zielgerichtet, jedoch fühlt es sich nicht so an. Kein Mensch kann so ein Gespräch nebenbei mit Zeitdruck oder nur mit halber Aufmerksamkeit führen, ohne dass die Qualität darunter leidet. Zumindest sollte man es so nicht tun. 😉 Es macht Freude, auf diese Weise in Kontakt zu treten mit Menschen. Diese Zeit ist, wie ich gestern bei einem Theaterstück, das ich mit meinem Mann besucht habe (Caveman – sehr zu empfehlen), hörte, ECHTE LEBENSZEIT.

Diese echte Lebenszeit dürfen und sollten wir uns wieder mehr nehmen. Und zwar für die Dinge, die uns wirklich, wirklich wichtig sind, die unser Herz berühren und die uns Freude bringen. Echte Herzensfreude.

Ich freue mich auf ECHTE LEBENSZEIT mit euch!

Gingko Lebensbaum

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